Wilhelm und Bautzen

300 Jahre Familie Wilhelm in Bautzen

Wilhelm und Bautzen

300 Jahre Familie Wilhelm in Bautzen

Wilhelm und Bautzen

300 Jahre Familie Wilhelm in Bautzen

Wilhelm und Bautzen

300 Jahre Familie Wilhelm in Bautzen

"Als nachweisbar ältestbekannter Vorfahr unseres Bautzener Geschlechtes WILHELM in direkter Linie ist - ungeachtet aller bisherigen Nachforschungen nach früheren Angehörigen desselben - der Glasermeister Andreas WILHELM zu betrachten. Doch gleichwie seine Abkunft, ist bis jetzt leider auch sein Geburtsort noch nicht mit Sicherheit festzustellen gewesen, obwohl einige Hinweise für die Stadt Bautzen sprechen.

Bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts in unserer Stadt ansässig - ein Adam Wilhelm war hier 1561 Besitzer einer Badestube in der Fleischergasse (1), ein Peter Wilhelm 1573 Grundstücksbesitzer in der Neuegasse (2) und ein Jocuff oder Jacob Wilhelm 1587 Leinewebermeister (3) - scheint diese Familie von der Niederlausitz her, woselbst sie ziemlich häufig vertreten gewesen sein muss (4), nach Bautzen eingewandert zu sein, eine umsomehr berechtigte Annahme, als nachweisbar von diesem Nachbarlande aus viel Zuzug gerade nach unserer Stadt in früheren Jahrhunderten geherrscht hat.

Dagegen kommt hier die Familie des aus Nürnberg gebürtigen Stephan Wilhelm nicht in Betracht, da dessen sämtliche Nachkommen in Bautzen bereits 1641 verstorben waren.(5)

Andreas Wilhelm war nach Ausweis der Kirchenbücher zu St. Petri in Bautzen (6) am 24. April 1663 geboren. (7)

Wie schon erwähnt, erfahren wir leider nicht das Geringste über seine Eltern, die ihn nach vollendetem Schulbesuch für das Glaserhandwerk bestimmten und zur Erlernung desselben einem, wohl zweifellos hiesigen Meister werden übergeben haben, da - soviel ist feststehend - der Vater des Andreas diesem Berufe selbst nicht angehörte. (7a)

Nach Ablauf der Gesellen- (und alter Vorschrift gemäß) zu leistender Wanderjahre erscheint letzterer im Jahre 1688 als Meister (8), als solcher zufolge eines von sämtlichen Innungen Bautzens 1677 getroffenen Beschlusses, den übrigen Meistern des Handwerkes - anstatt des früher üblichen "Meisteressens" - ein Viertel Bier zu geben, gleichwie dem Rath 3 Thaler in die Rüstkammer zu zahlen verpflichtet war (9), wofür er von diesem eine Muskete eingehändigt erhielt, da in damaliger Zeit alle brauchbaren Bürger zum Waffendienste für die Stadt herangezogen wurden.

Schloss an und für sich schon das Meisterrecht die Zusprechung des Bürgerrechtes ein, so war zur Erlangung beider vorgeschrieben, dass ein Innungsmeister eine "Verlobte" habe. Auch eine solche schätzte Andreas Wilhelm sein eigen, und zwar war diese eine Bautzener Meistertochter, namens Anna Hauptmann.
Der am 18. Januar 1660 geschlossenen Ehe des George Hauptmann mit Dorothea Schlenkrich (10) entsprossen, war Anna im April 1662 (11) geboren worden.

Ihren Vater, (der) vorher seit 1659 (12) gleichfalls das Glaserhandwerk in Bautzen betrieben hatte, verlor sie bereits in ihrem sechsten Lebensjahr durch den Tod am 6. November 1668. (13)

Die Trauung fand am 4. Oktober 1688 in der St. Petrikirche durch den Past. Primarius M. Heinrich Basilius Zeidler statt. (14)
Ein Sohn der den jungen Eltern im folgenden Jahr geschenkt wurde, erhielt in der Taufe am 19. Juli die Namen Johann Christian. (15)

Erst sieben Jahre später findet sich eine weitere Nachricht über Andreas Wilhelm vor.
Nachdem am 16. Juni 1695 die Bautzener Garnison aus der Stadt abgerückt war, um an dem Feldzuge gegen die Türken teilzunehmen (16), wurde die hiesige Bürgerschaft desöfteren zu den Waffenübungen herangezogen, die nach den Vierteln auf der Schießbleiche stattfanden.

Andreas Wilhelm, "der Glaser bey den Fleischbäncken" (17), gehörte dem Irrenberger Viertel an, dass gerade in diesem Jahr allen Grund zu Widersetzlichkeiten gegen den Stadtrat zu haben glaubte.
Der Viertelsmeister hatte nämlich das bei der im Jahr 1694 erfolgten Huldigung des Kurfürsten Friedrich August I. der Bürgerwehr dieses Stadtviertels überreichte Geschenk unterschlagen. Nur erst nachdem der Bürgermeister bei seinem Ehrenworte erklärt hatte, für sofortige Ablieferung besagtem Geschenkes zu sorgen, trat einige Ruhe unter der erregten Mannschaft ein. (18) Als dies auch im nächsten Jahr 1695 noch nicht geschehen war und wiederum sich das Irrenberger Viertel gegen seinen Hauptmann Friedrich Arnst "wegen der vorigen Jahres versprochenen und noch bis dato nicht abgeführten Abgabe der holländischen Verehrung heftig erzürnt" hatte (19), wurde es von zwei Ratsherren am 19. Juni - wohl zu Beginn des Pfingstschießens unter Androhung hoher Strafen und Wegnahme der Gewehre vor weiteren Ausschreitungen ernstlich gewarnt. Am 26. Juni wurden Meister Andreas Wilhelm und Gottfried Heine, die sich in der vorangegangenen Woche die Königswürde erschossen hatten, von dem streitbaren Irrenberger Viertel in die Stadt eingeführt, "jedoch ohne Hader und Zank". (20)

Nach der chronikalischen Bezeichnung des Meisters Wilhelm dürfte dieser im Jahre 1695 - wenn nicht schon früher - sein Handwerk in dem am Ende der Korngasse, den Fleischbänken schräg gegenüber gelegenen, Grundstück (Kat.-No. 32) ausgeübt haben.
Dasselbe, ein Bierhof, gehörte seit 1702 dem aus Dresden gebürtigen ehemaligen Leutnant Johann Daniel Koernig. Infolge seines "übeln schändlichen Tosens und bösen Haushaltens, verthulichen Durchbringens", zumal aber (des) seiner Ehefrau Anna Magdalena geb. Probst gegenüber gezeigten "prutalen Verfahrens" wurde er auf Anzeige letzterer im Juli 1707 auf dem Wendischen Turm in das Gefängnis gesetzt und von zwei Wächtern bewacht. Anfangs Oktober zwar wieder entlassen, hatte sich inzwischen seine Frau mit ihrem Kinde zu ihrer Mutter zurückgezogen und weigerte sich, "wegen seiner tückischen betrüglichen Bosheit", zu ihm zurückzukehren. (21)

Bei dem großen Stadtbrande am 22. April 1709 wurde auch das Koernigsche Haus "gantz und gar" verwüstet, und am 28. Juni kaufte es Andreas Wilhelm "als eine Brandtstelle" für 150 Mark. (22)
Vier Jahre zuvor, am 30. März 1705, war ihm das Amt eines Innungsältesten übertragen worden. (23)

Nachdem in Bautzen zwar schon seit dem Jahre 1581 die Meister "Alt Undt Jung des Löblich Handtwergckes der Glaser" zu einer eigenen Innung sich zusammengeschlossen hatten (24), sahen sie sich veranlasst, infolge der Wirren des 30-jährigen Krieges, der Handel und Wandel auf lange Zeit hinaus lahm legte, dem Beispiele anderer Bautzener Handwerker, der Uhrmacher, Sporer, Büchsen- und Windenmacher zu folgen und gleichwie diese der an Mitgliedschaft stärkeren Tischlerinnung beizutreten.
Seit 1646 bildeten (dann) aber nur noch die Tischler, Glaser und "Schiffter" (Büchsenschäfter) eine (gemeinsame) Korporation.
Doch dieses sollte sich im Jahre 1714 abermals ändern.
Das bisherige gute Einvernehmen unter den Zunftgenossen scheint durch Streitigkeiten, die zwischen ihren Gehilfen vorgefallen waren, wesentlich getrübt worden zu sein, wodurch sich die Glaser, deren "Handwerk nach Überwindung der Bedrängnisse vorangegangener Tage" wieder erstarkt war, bewogen haben, aus der Innung der Tischler auszuscheiden und eine eigene zu bilden.
Demzufolge wurde im Jahre 1714 von den beiden Ältesten der Glaser, Andreas Wilhelm und Bartholomaeus Egg, der Rat unter Vorsitz des Bürgermeisters Jeremias Behrnauer ersucht, ihnen ihr Vorhaben zu gewähren und die Tischler und Büchsenschäfter davon zu benachrichtigen, worauf auch am 2. Mai dieses Jahres letztere Handwerker durch eine Ratsdeputation von der beabsichtigten eigenen Innungsconstituierung der Glaser in Kenntnis gesetzt wurden.

Die Folge davon war, dass letztere ihre 1581 errichteten Handwerksartikel aus der Tischlerlade zurückerhielten, um danach neue Gesetze aufstellen zu können.
Der Vergleich kam friedlich zustande und (es) erklärten alle drei Handwerke, in Freundschaft und Eintracht mit einander leben zu wollen.
Am 28. Mai 1714 fand schon das erste Quartal statt, wobei unter Andreas des Altmeisters Sohn, Johann Christian Wilhelm, - welcher am 14. Juli 1704 von seinem Vater "vor offener Lade auf 3 Jahr in die Lehre angenommen", am 25. Juli 1707, noch "ausgestandenen Lehrjahren losgesaget" worden war und am 26. Februar 1714 erstmalig sich zum Meisterrecht gemeldet hatte - zum andern Male um die Zulassung zum Meisterstücke und -rechte anhielt, was ihn auch zuteil wurde, worauf am 4. Juni dieses Jahres seine Meistersprechung erfolgte. (25)

Am 18. April 1729 traf Andreas Wilhelm der Schmerz, seine Ehefrau Anna nach 41-jährigem Ehestande durch den Tod zu verlieren. (26)
Er sah sich jedoch im folgenden Jahre veranlasst, einen neuen Bund fürs Leben zu schließen. Dieses geschah am 18. September 1730 mit Anna Magdalena Hentrich geb. Gräfe. Sie war die hinterlassene Witwe des Bautzener Rad- und Stellmachermeisters Christoph Hentrich (oder Hendrich). Die Trauung in der St. Petrikirche vollzog in Vertretung des past. primarius Lange der Diakonus Georg Friedrich Bruccatius.(27)

Vier Jahre nach seiner erworbenen Meisterschaft, am 14. November 1718, hatte sich auch der Sohn Christian vermählt (28), und zwar mit Dorothea Katharina Kaulfuß, der 21-jährigen Tochter (29) des "Gasthalters" Johann Christoph Kaulfuß (30).

Ob der junge Meister bis zu seiner Verheiratung, oder auch später noch seinem Vater in der Ausübung des Handwerkes beistand, ist unbekannt.
Nur soviel ist gewiss, dass ihn der Tod am 16. August 1740 (31) aus dem Kreise der Seinigen riss und außer dem betrübten Vater und der Witwe noch drei unerzogene Söhne hinterließ: Carl Christian (32), Friedrich Gotthelf (33) und August Gottlieb (34).

Der erstere, Carl Christian, der bei seinem Vater vom 1. Mai 1737 an in der Lehre gestanden hatte, musste diese nunmehr bei seinem Großvater beenden und wurde am 11. Oktober 1740 zum Gesellen gesprochen.
Auch sein Bruder Friedrich Gotthelf sollte bei Andreas Wilhelm das Glaserhandwerk erlernen, hatte bei ihm die Lehrzeit am 23. Oktober 1741 zwar begonnen, erhielt aber schon im nächsten Jahr in Bartholomaeus Egg einen anderen Lehrmeister (35).

Infolge fortgeschrittenes Alters legte 1741 Andreas Wilhelm sein Ältestenamt nieder, das nunmehr auf den erwähnten Egg überging. Doch nur noch eine kurze Lebensfrist sollte dem unermüdlich schaffenden Meister beschieden sein!
Am 20. März 1742 schied er aus dieser Welt, hochbetagt in einem Alter von nahezu 79 Jahren (36). Seine Witwe Anna Magdalena überlebte ihn noch um zwölf Jahre (37)."
andreas-manuskriptseiten
Fußnoten des Manuskriptes

1) Budissinisches Geschossbuch, Michaelis 1561, Bautzner Ratsarchiv

2) Ebenda 1573 ff.

3) Leineweberhandwerksbuch 1587 ff., Budiss. Gerichtsbuch, Fol. 209. 1589-90

4) Die Familie Wilhelm tritt schon 1423 in Jüterbork, 1425 und 1586 in Kottbus, 1442 in Sorau, 1463 in Senftenberg und 1494 in Buckau auf. - Georg Erler: Die Matrikel der Universität Leipzig in Cod. dipl. Sax. reg., 18. Bd., - H. Söhnel: Niederlausitzer auf mittelalterlichen Universitäten. Niederlausitzer Mitteilungen, 10. Bd., Guben 1907, S. 90 f. - F. Schmidt: Die Urkunden des Cottbuser Stadtarchivs in Reg.form, ebenda, S. 160.

5) M. Joh. Cristoph Wagner: Budissinsche Grab- und Gedächtnis-Mahle, Budissin 1697, No. 338, 361.

(6) Totenregister I, 1742, No. 18

(7) Der Zufall, dass am 24. April 1663 in der Bautzener Familie des Gottfried Wilhelm (Pfeifer und Barbier, später Stadtchirurg) eine Tochter das Licht der Welt erblickte, könnte bei der Mangelhaftigkeit der früheren Kirchenbuchführung fast einen Zweifel an der Wahrheit dieser Eintragung aufkommen und auf einer Verwechselung mit einem Knaben einer anderen Familie schließen lassen. Da aber nach genauester Verfolgung aller Taufeinträge dieses Jahres kein einziger Bürgersohn den Namen Andreas erhalten hat, auch nicht im April vor- und rückliegender Jahre, so muss mithin der Taufeintrag der Tochter des Gottfried Wilhelm zu Recht bestehen.

(7a) Dies ergibt die Reihenfolge der Bautzener Glasermeister von 1646 an (in einer späteren Abschrift des alten Handwerksbuches der Tischler und Glaser), die frühere Träger des Familiennamens Wilhelm vermissen lässt.

(8) Ebenda, 1688

(9) Wilke: Chronik von Bautzen, S. 515 - Hessler: Zur Geschichte der Stadt Bautzen, Bautz. Nachr. 1875, S. 1137

(10) Trauregister I, 1660

(11) Eintrag im Taufregister ohne Angabe des Datums, zwischen 26. u. 29. April. Ihre Paten waren Katharina, die Ehefrau des Rathsherrn und Goldschmieds Paul Liebe, Wilhelm Zernitius, Bürger, und Anna Margareta, Albrecht Schneiders - Bürgers allhier - Ehefrau. (fol. 520, No. 2)

(12) Handwerksbuch der Tischler und Glaser, 1659

(13) Totenregister I, 1668, No. 119

(14) Trauregister I, 1688, No. 25

(15) Taufregister I, 1689

(16) Wilke: a.a.O., S. 443

(17) Chronik der Stadt Budissin, Manuskr., IV, im Besitz der Familie Bulnheim

(18) Wilke: a.a.O., S. 440

(19) Platz: Annalen der Stadt Bautzen, XIX. Bd., 1695, S. 23 (Stadtbücherei)

(20) Chronik d. St. Budissin, IV. (Bulnheim)

(21) Ebenda, IV. Bd.

(22) Platz, a.a.O, I. Bd., 1709, S. 96

(23) Protokollbuch der Tischler-Glaser-etc.Innung

(24) Der Glaser Artikel ..dt ordn..ng So ihnen von Einen Erbarn Rath sein zugelassen worden. Anno 1581. Manuscr. fol. 1 (Im Bautzener Stadtmuseum)

(25) Nach den Einträgen in die Innungsbücher der Tischler v. J. 1701 (in Besitz der Innung) und der Glaser v. J. 1714 (Stadtmuseum)

(27) Trauregister I, 1730

(28) Ebenda, 1718

(29) Sie war geboren am 1. März 1693

(30) Totenregister I, 1740

(31) Totenregister I, 1740

(32) geboren 1722, Meister 1748, gestorben 1804

(33) geboren 1723, Meister 1753, gestorben 1800

(34) geboren 1731, Meister 1763, gestorben 1802

(35) Nach den Protokollen von 1737-41 in dem Innungsbuch der Glaser von 1714.

(36) "78 Jahre weniger 1 Monat 4 Tage" lt. Angabe des Totenregisters zu St. Petri, I. 1742, No. 18

(37) Sie starb am 13. Juli 1754 in einem Alter von 74 Jahren 2 Monaten 5 Tagen.
Zwei Seiten aus der Handschrift von Richard Wilhelm

Bericht von Richard Wilhelm (+1918) von seiner Ahnenforschung über

Andreas WILHELM  1663-1742

Unkorrigierte Abschrift von Manuskript um 1913.